3
Phorkyas
9574Wie lange Zeit die Mädchen ſchlafen weis ich nicht,
9575Ob ſie ſich träumen ließen was ich hell und klar
Vor Augen ſah, iſt ebenfalls mir unbekannt.
Drum weck ich ſie. Erſtaunen ſoll das junge Volk;
Ihr Bärtigen auch, die ihr da drunten ſitzend harrt
Glaubhafter Wunder Löſung endlich anzuſchaun.
9580Hervor! Hervor! Und ſchüttelt eure Locken raſch.
Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht ſo! und hört mich an.
3
Chor
Rede nur nur >〉 erzähl’, erzähle
Was ſich wunderlichs begeben,
Hören möchten wir am liebſten
Was wir gar nicht glauben können,
Denn wir haben Langeweile
Dieſe Felſen anzuſehn.
Phork.
9585Kaum die Augen ausgerieben
9585Kinder l: Langeweilt ihr ſchon!
So vernehmt: in dieſen Hölen
Dieſen Grotten, dieſen Lauben
Schutz und Schirmung war verliehen,
Wie idylliſchen: idylliſchem Liebespaare,
Unſerm Herrn und unſrer Frau.
4
Chor.
Wie da drinnen?
Phork.
Abgeſondert
Von der Welt, nur mich die Eine
Riefen ſie zu ſtillem Dienſte
9590Hochgeehrt ſtand ich zur Seite,
9590Doch, wie es Vertrauten ziemet
Sah ich mich wo anders um.
Wendete mich hier und dorthin,
Suchte Wurzeln, Moos und Rinden,
Kundig aller Wirkſamkeiten
Und ſo blieben ſie allein.
Chor.
Thuſt du doch als ob da drinne
Ganze Weltenräume wären
9595Wald und Wieſe, Bäche, Seen,
9595Welche Mährchen ſpinnſt du ab.
Phork.
Allerdings, ihr Unerfahrnen!
Das ſind unerforſchte Tiefen,
Saal an Saelen, Hof an Höfen
Dieſe ſpürt ich ſinnend aus.
5
Doch auf einmal ein Gelächter
Echo’t in den Höhlen Räumen,
Schau ich hin da ſpringt ein Knabe
Von der Frauenſchoos zum Manne,
9600Von dem Vater zu der Mutter;
9600Das Gekoſe das Getändel,
Thöriger Liebe Neckereyen,
Scherzgeſchrey und Luſtgejauchze
Wechſelnd übertäuben mich.
Nackt ein Genius ohne Flügel,
Faunenartig ohne Thierheit,
Springt er auf den feſten Boden,
Doch der Boden gegenwirkend
9605Schnellt ihn zu der luftigen H: höhn
9605Und im zweyten dritten Sprunge
Rührt er an das Hochgewölb.
Aengſtlich ruft die Mutter: ſpringe
Wiederholt und nach Belieben,
Aber hüte dich zu fliegen
Freyer Flug iſt dir verſagt.
Und ſo mahnt der treue Vater:
In der Erde liegen Kräfte
9610Die dich aufwärts treiben, rühre
9610Mit der Zehe nur den Boden.
6
Wie Encelat: dus der Mächtige
Biſt du alſobald geſtärkt.
Und ſo ſpringt er auf die Maſſe
Dieſes Felſens, von der Kante
Zu den andern und umher ſo
Wie ein Ball geſchlagen ſpringt.
Doch auf einmal in der Spalte
Rauher Schlucht iſt er verſchwunden,
9615Und nun ſcheint er uns verloren.
9615Mutter jam̄ert, Vater tröſtet,
Achſelzuckend ſteh ich da.
Doch nun wieder! welch Erſcheinen!
Liegen Schätze dort verborgen
Blumenſtreifige Gewande
Hat er würdig angethan
Quaſten ſchwanken von den Armen,
Binden flattern um den Buſenerg
9620In der Hand die goldne Leyer,
9620Völlig wie ein kleiner Phöbos
Tritt er wohlgemuth heran: zur Kante
Auf den: Zu dem Ueberhang; wir ſtauetilgtnen.
Und die Eltern für Entzücken
Werfen wechſelnd ſich ans Herz.
Doch: Denn wie leuchtets ihm zu Haupten?
Was erglänzt iſt ſchwer zu ſagen,
7
Iſt es Goldſchmuck, iſt es Flam̄e?
Uebermächtiger Geiſteskraft?
9625Und ſo regt er ſich gebärdend,
9625Sich als Knabe ſchon verkündend
Künftigem: n Meiſter alles Schönen,
Dem die ewigen Melodien
Durch die Glieder ſich bewegen;
Und ſo werdet ihr ihn hören,
Und ſo werdet ihr ihn ſehn zu
Einzigſter Bewunderung.
9
Chor erg
Strophetilgt
Nennst Du ein Wunder diehs,
9630Cretas Erzeugte?
Dichtend-tilgt B: belehrenden: m Wort
Haſt du denn wol erg niemals zutilgtgelauſcht wol: wohl nimmer??tilgt
Niemals noch gehört Ioniens,
Nie vernommen auch Hellas
9635Urväterliche Sagen
Göttlich–heldenhaften Reichthum?
Antiſtr. tilgt
Alles was je geſchieht
Unserer: Heutiges Tages erg
Trauriger Nachklang iſt’s
9640Herrlicher Ahnentilgtherrn–ZeittilgtTage.
Nicht vergleicht sich dein Erzählen
Dem was liebliche Lüge
Glaubhaftiger als Wahrheit
Von dem Sohne sang der Maja.
11
2. Strophetilgt
9645Dieſen zierlich und kräftig doch
Kaum geborenen Säugling
Faltet in reinſter Windeln Flaum
Strenget in köſtlicher Wickeln Schmuck
Klatſchender Wärterinnen Schaar
9650Unvernünftigen Wähnens.
Kräftig und zierlich aber zieht
Schon der Schalk die geſchmeidigen
Doch elaſtiſchen Glieder
Liſtig heraus, die purpurne
9655Aengſtlich drückende Schaale
Laſſend ruhig an ſeiner Statt:
Gleich dem fertigen Schmetterling
Der aus ſtarrem Puppenzwang
Flügen: l entfaltend behendig ſchlüpft
9660Sonne–durchſtrahlten Aether kühn
Und muthwillig durchflatternd.
12
Antiſtrophetilgt
So auch Er, der behendeſte,
Daſs er Dieben und Schälken
Vortheil suchenden Allen auch
9665Ewig günſtiger Dæmon sey
Dieſs bethätigt er alsobald
Durch gewandteſte Künſte.
Gleich: Schnelldes Meeres Beherrſcher ſtiehlt
Er den Trident, ja dem Ares ſelbst
9670Schlau das Schwerdt aus der Scheide:
Bogen und Pfeile dem Apoll: Phoebus auch
Wie dem erg Hephæſtos die Zange;
Selber Zeus, des Vaters, Blitz
Na: ähm er, schreckt’ ihn das Feuer nicht,
9675Doch dem Eros siegt er ob
In Bein ſtellendem Kampfer: Ringer–spiel,
Raubt der ihm koſenden Cypris auch: auch Cyprien, wie sie ihm kos: ſ't
Noch vom Buſen den Gürtel.
(Ein reitzendes, rein melodiſches Saitenſpiel erklingt aus der Höle. Alle mercken auf und ſcheinen bald innig gerührt)
13
Chor
Nennſt du ein Wunder dieß?
9630Cretas Erzeugte erg du!
Dichtend belehrenden
Haſt du niemals du zugelauſcht.
Niemals gehört Ioniens,
Nie verm: nomene Hellas
9635Urväterlicher Sagen
Göttlich-heldenhaften Reichthum.
Alles was je geſchieht
Trauriger Nachklang iſts
Unſrer Tage, der Tage
9650Herrlicher Anherr.: n.
Dein Erzählen vergleicht ſich nicht
Jenem was lieblich-glaubliche Lügen
Von dem Sohne der Maja ſang.
Dieſen zierlich kräftig
9655Gebohrenen k×: aum
Faltet in reinſte Windeln,
Strenget in köſtliche Wickeln
Klatſchender Wärterinnen
Unvernunft
14
Kräftig und zierlich aber
Zieht ſchon die beugſamen,
Dehnſamen Glieder
Liſtig heraus, die purpurne
9655Ängſtlich drückende Schaale
l: Laſſend an ſeiner Statt.
So wie der Schmee: tterling
Aus dem ſtarren Puppenzwang
Flügel entfaltend ſchlüpft,
9660Sonnedurchſtrahlten Aether
Muthwillig durchflatternd.
So auch er, der behendeſte,
Daß er den Dieben ſey,
Vortheilſuchenden allen
9665Ewig günſtiger Dämon,
Das bethätigt er gleich
Schwingt zum hellen Olymp ſich auf,
Nieder zum toſenden Ocean,
Ueber der Erde Breites hinweg.
Nicht verſchont er des Vaters
Nicht des Oheims
Würdige Herrſcherkraft.
(Ein reitzendes, rein melodiſches Saitenſpiel erklingt aus der Höle alle mercken auf) erg
15
Helena, Fauſt, Euphorion in dem oben beſchriebenen Coſtum)
Euphorion.
9695Hört ihr Kindeslieder ſingen
Gleich iſt’s euer eigner Scherz,
Seht ihr mich im Tackte ſpringen
Hüpft euch elterlich das Herz.
Helena.
Liebe, menſchlich zu beglücken
9700Nähert ſie ein d: edles z: Zwey, erg
Doch, zu göttlichem Entzücken,
Bildet ſie ein köſtlich Drey.
Fauſt.
Alles iſt ſodann gefunden
Ich bin dein und du biſt mein,
9705Und ſo ſtehen wir verbunden
Dürft es doch nicht anders ſeyn!
Chor.
Wohlgefallen vieler Jahre
In des Knaben mildem Schein
Sammelt ſich auf dieſem Paare.
9710O! wie rührt mich der Verein.
Euphorion.
Nun laßt mich hüpfen,
Nun laß mich ſpringen,
Zu allen Lü×: ften
Hinauf zu dringen
9715Iſt mir begierde
Sie faßt mich ſchon.
16
Fauſt
Nur mäßig! mäßig!
Nicht ins Verwegne,
Daß Sturz und Unfall
9720Dir nicht begegne,
Zu Grund uns richte
Der theure Sohn.
Euphorion
Ich will nicht länger
Am Boden ſtocken;
9725Laßt meine Hände,
Laßt meine Locken,
Laßt meine Kleider
Sie ſind ja mein.
Helena
O denck! o dencke
9730Wem du gehöreſt!
Wie es uns kräncke
Wie du zerſtöreſt
Das ſchön errungene erg
Mein, dein und ſeyn >〉 ſein.
Chor
9735Bald löst, ich fürchte,
Sich der Verein!
Helena und Fauſt.
Bändige! Bändige!
Eltern zu Liebe,
Uberlebendige
9740Heftige Triebe!
Ländlich im Stillen
Ziere den Plan.
Euphorion.
Nur euch zu Willen
Halt ich mich an.
(durch das Chor ſich ſchlingend und es zum Tanze fortziehend)
9745Leichter umſchweb’ ich hie
Muntres Geſchlecht.
Iſt nun die Melodiy,
Iſt die Bewegung recht.
19
Helena.
Ja, das iſt wohlgethan,
9750Führe die Schönen an
Künſtlichem Reihn.
Fauſt
Wäre das doch vorbey
Mich kann die Gauckeley
Gar nicht erfreun.
erg
Euphorion und Chor (tanzend und ſingend bewegen ſich in verſchlungenem Reihen erg)
9755Wenn du der Arme Paar
Lieblich bewegeſt;
Im Glanz dein lockig Haar
Schüttlend erregeſt,
Wenn dir der Fuß ſo leicht
9760Uber die Erde ſchleicht,
Dort und da wieder hin
Glieder um Glied ſich ziehn,
Haſt du dein Ziel erreicht
Liebliches Kind,
9765All unſre Herzen ſind
All dir geneigt.
(Pauſe)
17
Euphorion
Ihr ſeyd ſo viele
Leichtfüßige Rehe,
Zu neuem Spiele
9770Friſch aus der Nähe,
Ich bin der Jäger
Ihr ſeid das Wild.
Chor.
Willſt du uns fangen
Sey nicht behende,
9775Denn wir verlangen
Doch nur am Ende
Dich zu umarmen
Du ſchönes Bild.
Euphorion.
Nur durch die Haine!
9780Zu Stock und Steine!
Das leichtetilgt Eru: rungene
Das widert mir,
D: Nur das Erzwungene
Ergötzt mich ſchier.
Helena u. Fauſt
9785Welch ein Muthwill ! erg welch ein Raſen!
Keine Mäſſigung iſt zu hoffen.
Klingt es doch wie Hörner Blaſen: Hörnerblaſen
Ueber Thal und Wälder dröhnend,
Welchen: Welch ein Unfug, welch Geſchrey!
18
Chor
(Einzeln ſchnell eintretend)
9790Uns iſt er vorbey gelaufen
Mit Verachtung uns verhöhnend,
Schleppt er von dem ganzen Haufen
Nun die Wildeſte herbey.
Euphorion
(ein junges Mädchen hereintragend)
Schlepp ich mir: her die derbe Kleine
9795Zu erzwungenem Genuſſe
Mir zur Wonne mir zur Luſt.
Drück ich widerſpenſtige Bruſt,
Küß ich widerwärtigen Mund,
Thue Kraft und Willen kund.
Mädchen.
9800Laß mich los ! erg i: In dieſer Hülle
Iſt auch Geiſtes Muth und Kraft,
Deinem gleich iſt unſer Wille
Nicht ſo leicht hinweggerafft.
Glaubſt du wohl mich im Gedränge ? erg
9805Deinem Arm vertrauſt du viel.
Halte feſt und ich verſenge
Dich den Thoren mir zum Spiel.
(ſie flammt auf und lodert in die Höhe)
Folge mir in leichte Lüfte
Folge mir in ſtarre K: Grüfte
9810Haſche das verſchwundne Ziel.
erg 19
Euphorion
in der Mitte, Chor im Kreiſe): (die letzten Flam̄en abſchüttelnd)
Felſengedränge hier
Zwiſchen dem Waldgebüſch
Was ſoll die Enge mir
Bin ich doch jung und friſch.
9815Winde ſie ſauſen ja,
Wellen ſie brauſen da
Hör ich doch beydes fern
Nah wär ich gern.
(er ſpringt immer höher Felsauf)
Chor Helena, Fauſt und Chor.
Wollteſt du den Gemſen gleichen?
9820Vor dem Falle muß uns graun.
Euphorion.
Immer höher muß ich ſteigen
Immer weiter muß ich ſchaun.
Weis ich nun wo ich bin
Mitten der Inſel drin
9825Mitten in Pelops Land
Erde wie ſ: Seeverwandt.
20
9835Träumt ihr den Friedenstag
Träume doch wer es mag
⌟〈tilgt
Chor
Magſt du nicht in Berg und Wald
Friedlich verweilen,
Suchen erg wir alſobald
9830Reben in Zeilen,
Reben am Hügelrand,
Feigen und Apfelgold.
Ach! in dem holden Land
Bleibe du hold.
Euphorion.
9835Träumt ihr den Friedenstag?
Träume wer Träume mag.
Krieg! iſt das Loosungswort,
Sieg! und ſo klingt es fort.
Chor
Wer im Frieden
9840Wünſchet ſich Krieg zurück
Der iſt geschieden
Vom Hoffnungsglück.
Euphorion.
Welche dies Land gebahr
Aus Gefahr in Gefahr,
9845Frey, unbegre: änzten Muths
Verſchwendriſch eignen Bluts.
Den nicht zu dämpfenden
Heiligen Sinn
Alle den Kämpfenden
9850Bring es Gewinn!
Chor
Seht hiauf wie hoch geſtiegen!
Und erſcheint uns doch nicht klein.
Steht: Wie im Harniſch, wie zum Siegen,
Ist es: Wie von Erz und Stahl und Stein: der Schein.
21
Euphorion.
9855Keine Wälle keine Mauern
Jeder nur ſich ſelbſt bewußt;
Feſte Burg um auszudauern
Iſt des Mannes ehrne Bruſt.
Wollt ihr unerobert wohnen
9860Leicht bewaffnet raſch in’s Feld;
Frauen werden Amazo×: nen
Und ein jedes Kind ein Held.
Chor
Heilige Poeſie,
Himmelan ſteige ſie
9865Glänze, der ſchönſte Stern,
Fern und ſo weiter fern,
Und ſie erreicht uns doch,
Immer man hört ſie noch
Vernimmt ſie gern.
Euphorion
9870Nein, nicht ein Kind bin ich erſchienen
Bewaffnet: In Waffen kommt der Jüngling an;
Geſellt zu ſ: Starcken, f: Freyen, k: Kühnen,
Hat er im Geiſte ſchon gethan.
Nun fort!
9875Nun dort
Eröffnet ſich zum Ruhm die Bahn.
Helena und Fauſt
Kaum in’s Leben eingerufen,
Heitrem Tag gegeben kaum,
Sehnſt: Sehneſt du ,tilgt von dentilgt Schwindelſtufen,
9880Dich zu ſchmerzenvollem Raum.
Sind denn wir
Gar nichts dir,
Iſt der holde Bund ein Traum?
22
Euphorion
Und hört ihr donnern auf dem Meere!
9885Dort wiederdonnern Thal um Thal
In Staub und Wellen Heer dem Heere.
In Drang um Drang zu Schmerz und Quaal.
Und der Tod
Iſt Gebot,
9890Das verſteht ſich nun einmal.
Helena Fauſt und Chor
Welch Entſetzen! welches Grauen!
Iſt der Tod den̄ dir Gebot?
Euphorion
Sollt ich aus der Ferne ſchauen,
Nein ich theile Sorg’ und Noth.
Die Vorigen.
9895Ubermuth und Gefahr
Todliches Loos!
Euphorion
Doch! – und ein Flügelpaar
×: Faltet ſich los.
Dorthin! Ich muß! ich muß!
9900Gönnt mir den Flug!
(er wirft ſich in die Lüfte, die Gewande tragen ihn einen Augenblick, ſein Haupt ſtrahlt, ein Lichtſchweif zieht nach erg)
Chor
Ikarus! Ikarus!
Jammer genug.
(Ein ſchöner Jüngling ſtürzt zu der Eltern Füßen, man glaubt in dem Todten eine bekannte Geſtalt zu erblicken; doch das Körperliche verſchwindet ſogleich, die Aureole ſteigt wie ein Komet zum Himmel auf, Kleid, Mantel und Lyra bleiben liegen)
25
Helena und Fauſt
Der Freude folgt ſogleich
Grimmige Pein.
Euphorions
Stimme aus der Tiefe)
9905Laß mich im düſtern Reich,
Mutter, m[ich] nicht allein.
23
(Pauſe)
Chor
(Trauergeſang)
Nicht allein! – wo du auch weileſt,
Denn wir glauben dich zu kennen,
Ach! wenn du dem Tag enteileſt
9910Wird kein Herz von dir ſich trennen.
Wüßten wir doch kaum zu klagen,
Neidend ſingen wir dein Loos:
Hielt: Wie : Dir in klar und trüben Tagen
Lied und Muth ihn: dir : war ſchön und groß.
9915Ach! zum Erdenglück geboren,
Hoher Ahnen, großer Kraft,
Leider! früh dir ſelbſt verloren, erg
Jugendblüthe weggerafft.
Und du rannteſt unauſha >〉
Scharfer Blick, die Welt zu ſchauen,
9920Mitſinn jedem Herzensdrang,
Liebesglut der beſten Frauen,
Und dein: ſein eingenſter Geſang.
Doch du rannteſt, unaufhaltſam,
Frey ins willenloſe Netz,
9925Und: So entzweyteſt du gewaltſam
Dich mit Sitte mit Geſetz;
Doch zuletzt das Höchſte Sinnen
Brachte: Giebt dem reinen Muth’stilgt Gewicht,
Wollteſt Herrliches gewinnen,
9930Aber es gelang dir nicht.
Wem gelingt es? – Trübe Frage,
Der das Schickſal ſich vermum̄t,
Wenn am unglückſeeligſten Tage,
Blutend alles Volk verſtum̄t.
9935Doch friſch: erfriſchet auftilgt erneute: neue Lieder !: ,
Steht nicht länger tief gebeugt;
Denn der Boden zeugt ſie wieder,
Wie von je er ſie gezeugt.
(Pauſe)
25
Helena.tilgt
zu Fauſt. erg
Zerriſſen iſt’s des Lebens wie der Liebe Band,
Betraurend beide, ſag ich ſchmerzlich Lebewohl!
Und werfe mich noch einmal in die Arme dir.
Perſephoneia nimm den Knaben auf und mich.
(Sie umarmt Fauſt, das Körperliche verſchwindet, Kleid und Schleyer bleiben ihm in den Armen)
Phorkyas.
(zu Fauſt)
9945Halte feſt was dir von allem übrig blieb.
Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen ſchon
Dämonen an den Zipfeln, möchten gern
Zur Unterwelt es reißen. Halte feſt.
Die Göttinn iſt’s nicht mehr die du verlorſt,
9950Doch göttlich iſt’s. Bediene dich der hohen
Unſchätzbaren Gunſt und hebe dich empor,
Es trägt dich über alles Gemeine raſch
Am Aether hin, ſo lange du dauern kannſt.
Wir ſehn uns wieder, weit gar weit von hier.
(Helenens Gewandt ergtilgte löſen sich in Wolken auf, umgeben Fauſt, heben ihn in die Höhe und ziehen mit ihm vorüber)
26
Phorkyas.
(n: Nimmt Euphorions Kleider: Kleid, erg Mantel und Harfe: Lyra erg von der Erde, hebt ſie,: tritt ins Proſcenium tretendtilgt, hebt die Exuvien erg in die Höhe und ſpricht)
27
9955Noch immer glücklich aufgefunden!
Die Flamme freylich iſt verſchwunden
Doch iſt mir um die Welt nicht leid.
erg
Verſuch ich nun: Hier bleibt genug Poeten einzuweihen,
26
Zu ſtiften Gilt: d– und Handwerctilgtksneid :: .
9960Und: Denn kann ich die Talente nicht verleihen
Verborg ich wenigſtens das Kleid.
(ſie ſetzt ſich im Proſcenium an eine Säule nieder)
Chorführerin.
Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los,
Der alt Theſſaliſchen Vettel wüſten Geiſteszwang;
So des Geklimpers vielverworrner Töne Rauſch,
9665Das Ohr verwirrend, ſchlim̄er noch den in̄ern Sinn.
Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin,
Mit ernſtem Gang hinunter. Ihrer Sohle ſey
Unmittelbar getreuer Mägde Schritt gefügt.
Wir finden ſie am Throne der Unerforſchlichen.
29
Chor.
9970Königinnen freylich überall ſind ſie gern×tilgt;
Auch im Hades ſelbſt ſtehen ſie oben an
Stolz zu ihres Gleichen geſellt,
Mit Perſephonen innigſt vertraut;
Aber wir im Hintergrunde
9975Tiefer Asphodelos–Wieſen,
Langgeſtreckten Pappeln,
Unfruchtbaren Weit: den zugeſellt,
Welchen Zeitvertreib haben wir?
Fledermausgleich zu pieb: pſen,
9980Geflüſter, unerfreulich geſpenſtig.
Chorführ.
Wer keinen Namen ſich erwarb, noch edles will,
Gehört den Elementen an, ſo fahret hin!
Mit meiner Königin zu ſeyn verlangt mich heiß; erg
Nicht nur Verdienſt auch Treue wahrt uns die Perſon.
(ab)
31
Alle.
9985Zurückgegeben ſind wir dem Tageslicht,
Zwar Perſonen nicht mehr,
Das fühlen, das wiſſen wir,
Aber zum Hades kehren wir nimmer.
Ewig lebendige Natur
9990Macht auf uns Geiſter,
Wie: r auf ſie vollgültigen Anſpruch.
Ein Theil des Chors.
Wir in dieſer tauſend Aeſte Flüſterzittern, Säuſelſchweben,
Reizen tändlend, locken leiſe, von dem Stamm: wurzelauf des Lebens Quellen
Nach den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüten überſchwenglich
9995Zieren wir die Flatterhaare frey zu luftigem Gedeihn.
Fällt die Frucht, ſogleich verſammeln, lebensluſtig Volk und Heerden,
Sich zum Greifen, ſich zum Naſchen, eilig kommend, emſig drängend;
Und, wie von den erſten Göttern, bückt ſich alles um uns her.
32
Ein anderer Theil.
Wir, an dieſer Felſenwände weithinleuchtend glattem Spiegel
10000Schmiegen wir, in ſanftem Wallen uns bewegend,ſchmeichelnd an.
Horchen, lauſchen jedem Laute, Vogelſängen, Röhrigflöten,
Sey es Pans furchtbaren Stimme, Antwort iſt ſogleich bereit;
Säuſelts, erg ſäuſeln wir erwiedernd, don̄erts, erg rollen unſre Donner
In erſchütterndem Verdoppeln, dreyfach, zehnfach hinten nach.
Ein dritter Theil.
10005Schweſtern! Wir bewegtern Sinnes, eilen mit den Bächen weiter;
Denn es reizen jener Ferne reichgeſchmückte Hügelzüge
Immer abwärts, immer tiefer, wäſſern wir,mäandriſch wallend,
Jetzt die Wieſe, dann die Matten, gleich den Garten um das Haus.
Dort bezeichnen’s der Cypreſſen, ſchlanke Wipfel,über Landſchaft,
10010Uferzug und Wellenſpie{{l}}: gel, nach dem Aether ſteigende.
Ein vierter Theil.
Wallt ihr andern wo’s beliebet, wir umzingeln, wir umrauſe: chen
Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe {{bl}}: grünt;
Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leim: denſchaft des Winzers
Uns des liebevollſten Fleißes zweifelhaft Gelingen ſehn.
10015Bald mit Hacke bald mit Spaten, bald mit Häufeln, Schneiden, Binden,
Betet er zu allen Göttern, förderſamſt zum Sonnengott.
Bachus kümmert ſich, der Weichling, wenig um den treuen Diener,
Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, faß: ſelnd mit dem jüngſten Faun.
Was zu ſeiner Träumereyen halben: m Rauſch er je bedürfte,
10020Immer bleibt es ihm in Schläuchen, ihm in Krügen und Gefäßen,
Rechts und links der kühlen Grüfte, ewige Zeiten aufbewahrt.
Haben aber alle Götter, hat nun Helios vor allen,
Lüftend, feuchtend, wärmend, gluthend Beeren-Füllhorn aufgehäuft,
34
Wo der ſtille Winzer wirckte, dort auf einmal wirds lebendig,
10025Und es rauſcht in jedem Laube, raſchelt um von Stock zu Stock.
Körbe knarren, Eimer klap××: pern, Tragebutten ächzen hin,
Alles nach der großen Kufe zu den Keltrer kräftigem Tanz,
Und ſo wird die heilige Fülle reingeborner ſaftiger Beeren
Frech zertreten, ſchäumend, ſprühend, miſcht ſichs widerlich zerque×: tſcht.
10030Und nun gellt ins Ohr der Cymbeln, mit der Becken Erzgetöne,
Denn es hat ſich Dy: ionyſos aus Myſterien enthüllt;
Kommt hervor mit Ziegenfüßleren, ſchwenkend Ziegenfüßlerinnen,
Und dazwiſchen ſchreit unbändig grell Silenus öhrig Thier.
Nichts geſchont! Geſpaltne Klauen treten alle Sitte nieder,
10035Alle Sinne wirbeln taumlich, gräßlich übertäubt das Ohr.
Nach der Schaale tappen Trunkne, überfüllt ſind Kopf und Wänſte,
Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er die Tumulte,
10038Denn um neuen Moſt zu bergen, leert man raſch den alten Schlauch.
(Der Vorhang fällt)
35
Phorkyas. (Der Vorhang fällt. Phorkyastilgt im Proſcenium richtet ſich rieſenhaft auf, tritt aber von den Cothurnen herunter, lehnt Maske und Schleyer zurück und zeigt ſich als Mephiſtopſ: heles, um, inſofern es nöthig wäre, erg im Epilog das Stück zu commentiren)
P 170 S 27.

Wechſelrede Fauſt, Phorkyas, × >〉 Helena.

28 erg

Chor Lob der Tapferen. erg tilgt

28: 28a.

Helena?

30a.

Phorkyas

Erzählung der Wunder

Bedingungen des Daſeyns erg

33.

Helena, Fauſt, Euphorion, Chor

Hauptſcene.

36a.

Chorführerin zum Aufbruch

Polü: ytheismus und Heroismus ganz edel Mythologiſ[ch]

Anklang vom wunderlichen.

Wunderbaren, Mährchenhaften

Folge

Ritterthum Galanterie

Naturlich ruhrendes, naturlich ſchal{{k}}.

Ideale Rettung, Faßung in der Mythologie, Pantheismus.