3
3
4
6
7
9
11
12
14
16
19
〈
erg〉
18
erg〉
19
21
22
29
32
∞Phorkyas
9574Wie lange Zeit die Mädchen ſchlafen weis ich nicht,
9575Ob ſie ſich träumen ließen was ich hell und klar
9576Vor Augen ſah, iſt ebenfalls mir unbekannt.
9577Drum weck ich ſie. Erſtaunen ſoll das junge Volk;
9578Ihr Bärtigen auch, die ihr da drunten ſitzend harrt
9579Glaubhafter Wunder Löſung endlich anzuſchaun.
9580Hervor! Hervor! Und ſchüttelt eure Locken raſch.
9581Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht ſo! und hört mich an.
∞Chor
∞
Phork.
∞
Phork.
9588Abgeſondert
9589Von der Welt, nur mich die Eine
9589Riefen ſie zu ſtillem Dienſte
9590Hochgeehrt ſtand ich zur Seite,
9590Doch, wie es Vertrauten ziemet
9591Sah ich mich wo anders um.
9591Wendete mich hier und dorthin,
9592Suchte Wurzeln, Moos und Rinden,
9592Kundig aller Wirkſamkeiten
9593Und ſo blieben ſie allein.
∞Chor.
∞
Phork.
9596Allerdings, ihr Unerfahrnen!
9596Das ſind unerforſchte Tiefen,
9597Saal an Saelen, Hof an Höfen
9597Dieſe ſpürt ich ſinnend aus.
5
9598Doch auf einmal ein Gelächter
9598Echo’t in den Höhlen Räumen,
9599Schau ich hin da ſpringt ein Knabe
9599Von der Frauenſchoos zum Manne,
9600Von dem Vater zu der Mutter;
9600Das Gekoſe das Getändel,
9601Thöriger Liebe Neckereyen,
9601Scherzgeſchrey und Luſtgejauchze
9602Wechſelnd übertäuben mich.
9603Nackt ein Genius ohne Flügel,
9603Faunenartig ohne Thierheit,
9604Springt er auf den feſten Boden,
9604Doch der Boden gegenwirkend
9605Schnellt ihn zu der luftigen H〈: h〉öhn
9605Und im zweyten dritten Sprunge
9606Rührt er an das Hochgewölb.
9607Aengſtlich ruft die Mutter: ſpringe
9607Wiederholt und nach Belieben,
9608Aber hüte dich zu fliegen
9608Freyer Flug iſt dir verſagt.
9609Und ſo mahnt der treue Vater:
9609In der Erde liegen Kräfte
9610Die dich aufwärts treiben, rühre
9610Mit der Zehe nur den Boden.
9611Wie Encelat〈: d〉us der Mächtige
9611Biſt du alſobald geſtärkt.
9612Und ſo ſpringt er auf die Maſſe
9612Dieſes Felſens, von der Kante
9613Zu den andern und umher ſo
9613Wie ein Ball geſchlagen ſpringt.
9614Doch auf einmal in der Spalte
9614Rauher Schlucht iſt er verſchwunden,
9615Und nun ſcheint er uns verloren.
9615Mutter jam̄ert, Vater tröſtet,
9616Achſelzuckend ſteh ich da.
9616Doch nun wieder! welch Erſcheinen!
9617Liegen Schätze dort verborgen
9617Blumenſtreifige Gewande
9618Hat er würdig angethan
〈
9619Quaſten ſchwanken von den Armen,
9619Binden flattern um den Buſenerg〉
9620In der Hand die goldne Leyer,
9620Völlig wie ein kleiner Phöbos
9621Tritt er wohlgemuth heran〈: zur Kante〉
9622Und die Eltern für Entzücken
9622Werfen wechſelnd ſich ans Herz.
9623Doch〈: Denn〉 wie leuchtets ihm zu Haupten?
9623Was erglänzt iſt ſchwer zu ſagen,
9624Iſt es Goldſchmuck, iſt es Flam̄e?
9624Uebermächtiger Geiſteskraft?
9625Und ſo regt er ſich gebärdend,
9625Sich als Knabe ſchon verkündend
9626Künftigem〈: n〉 Meiſter alles Schönen,
9626Dem die ewigen Melodien
9627Durch die Glieder ſich bewegen;
9627Und ſo werdet ihr ihn hören,
9628Und ſo werdet ihr ihn ſehn zu
9628Einzigſter Bewunderung.
∞
〈Chor erg〉
∞
Strophe〈tilgt〉
9629Nennst Du ein Wunder diehs,
9630Cretas Erzeugte?
9633Niemals noch gehört Ioniens,
9634Nie vernommen auch Hellas
9635Urväterliche Sagen
9636Göttlich–heldenhaften Reichthum?
∞
Antiſtr.
〈tilgt〉
9637Alles was je geſchieht
9639Trauriger Nachklang iſt’s
9641Nicht vergleicht sich dein Erzählen
9642Dem was liebliche Lüge
9643Glaubhaftiger als Wahrheit
9644Von dem Sohne sang der Maja.
∞
2. Strophe〈tilgt〉
9645Dieſen zierlich und kräftig doch
9646Kaum geborenen Säugling
9647Faltet in reinſter Windeln Flaum
9648Strenget in köſtlicher Wickeln Schmuck
9649Klatſchender Wärterinnen Schaar
9650Unvernünftigen Wähnens.
9651Kräftig und zierlich aber zieht
9652Schon der Schalk die geſchmeidigen
9653Doch elaſtiſchen Glieder
9654Liſtig heraus, die purpurne
9655Aengſtlich drückende Schaale
9656Laſſend ruhig an ſeiner Statt:
9657Gleich dem fertigen Schmetterling
9658Der aus ſtarrem Puppenzwang
9659Flügen〈: l〉 entfaltend behendig ſchlüpft
9660Sonne–durchſtrahlten Aether kühn
9661Und muthwillig durchflatternd.
∞
Antiſtrophe〈tilgt〉
9662So auch Er, der behendeſte,
9663Daſs er Dieben und Schälken
9664Vortheil suchenden Allen auch
9665Ewig günſtiger Dæmon sey
9666Dieſs bethätigt er alsobald
9667Durch gewandteſte Künſte.
9668Gleich〈: Schnell〉des Meeres Beherrſcher ſtiehlt
9669Er den Trident, ja dem Ares ſelbst
9670Schlau das Schwerdt aus der Scheide:
9671Bogen und Pfeile dem Apoll〈: Phoebus auch〉
9672Wie 〈dem erg〉 Hephæſtos die Zange;
9673Selber Zeus, des Vaters, Blitz
9674Na〈: ä〉hm er, schreckt’ ihn das Feuer nicht,
9675Doch dem Eros siegt er ob
9676In Bein ſtellendem Kampfer〈: Ringer–〉spiel,
9677Raubt der ihm koſenden Cypris auch〈: auch Cyprien, wie sie ihm kos〈: ſ〉't〉
9678Noch vom Buſen den Gürtel.
∞(Ein reitzendes, rein melodiſches Saitenſpiel
erklingt aus der Höle. Alle mercken auf und ſcheinen bald innig
gerührt)
13
∞Chor
9629Nennſt du ein Wunder dieß?
9630Cretas Erzeugt〈e erg〉 du!
9631Dichtend belehrenden
9632Haſt du niemals du zugelauſcht.
9633Niemals gehört Ioniens,
9634Nie verm〈: no〉mene Hellas
9635Urväterlicher Sagen
9636Göttlich-heldenhaften Reichthum.
9651Kräftig und zierlich aber
9652Zieht ſchon die beugſamen,
9653Dehnſamen Glieder
9654Liſtig heraus, die purpurne
9655Ängſtlich drückende Schaale
9656l〈: L〉aſſend an ſeiner Statt.
9657So wie der Schmee〈: t〉terling
9658Aus dem ſtarren Puppenzwang
9659Flügel entfaltend ſchlüpft,
9660Sonnedurchſtrahlten Aether
9661Muthwillig durchflatternd.
9662So auch er, der behendeſte,
9663Daß er den Dieben ſey,
9664Vortheilſuchenden allen
9665Ewig günſtiger Dämon,
9666Das bethätigt er gleich
∞Schwingt zum hellen Olymp ſich auf,
∞Nieder zum toſenden Ocean,
∞Ueber der Erde Breites hinweg.
∞Nicht verſchont er des Vaters
∞Nicht des Oheims
∞Würdige Herrſcherkraft.
∞
〈(Ein reitzendes, rein melodiſches Saitenſpiel erklingt
aus der Höle alle mercken auf) erg〉
15
∞Euphorion.
9695Hört ihr Kindeslieder ſingen
9696Gleich iſt’s euer eigner Scherz,
9697Seht ihr mich im Tackte ſpringen
9698Hüpft euch elterlich das Herz.
∞Helena.
9699Liebe, menſchlich zu beglücken
9701Doch, zu göttlichem Entzücken,
9702Bildet ſie ein köſtlich Drey.
∞Fauſt.
9703Alles iſt ſodann gefunden
9704Ich bin dein und du biſt mein,
9705Und ſo ſtehen wir verbunden
9706Dürft es doch nicht anders ſeyn!
∞Chor.
9707Wohlgefallen vieler Jahre
9708In des Knaben mildem Schein
9709Sammelt ſich auf dieſem Paare.
9710O! wie rührt mich der Verein.
∞Euphorion.
9711Nun laßt mich hüpfen,
9712Nun laß mich ſpringen,
9713Zu allen Lü×〈: f〉ten
9714Hinauf zu dringen
9715Iſt mir begierde
9716Sie faßt mich ſchon.
∞Fauſt
∞Euphorion
9723Ich will nicht länger
9724Am Boden ſtocken;
9725Laßt meine Hände,
9726Laßt meine Locken,
9727Laßt meine Kleider
9728Sie ſind ja mein.
∞Helena
9729O denck! o dencke
9730Wem du gehöreſt!
9731Wie es uns kräncke
9732Wie du zerſtöreſt
9733Das ſchön errungen〈e erg〉
9734Mein, dein und 〈ſeyn >〉 ſein.
∞Helena und Fauſt.
9737Bändige! Bändige!
9738Eltern zu Liebe,
9739Uberlebendige
9740Heftige Triebe!
9741Ländlich im Stillen
9742Ziere den Plan.
∞Euphorion.
9743Nur euch zu Willen
9744Halt ich mich an.
∞(durch das Chor ſich ſchlingend und es zum Tanze
fortziehend)
9745Leichter umſchweb’ ich hie
9746Muntres Geſchlecht.
9747Iſt nun die Melodiy,
9748Iſt die Bewegung recht.
9755Wenn du der Arme Paar
9756Lieblich bewegeſt;
9757Im Glanz dein lockig Haar
9758Schüttlend erregeſt,
9759Wenn dir der Fuß ſo leicht
9760Uber die Erde ſchleicht,
9761Dort und da wieder hin
9762Glieder um Glied ſich ziehn,
9763Haſt du dein Ziel erreicht
9764Liebliches Kind,
9765All unſre Herzen ſind
9766All dir geneigt.
∞(Pauſe)
〈
17
∞Euphorion
9767Ihr ſeyd ſo viele
9768Leichtfüßige Rehe,
9769Zu neuem Spiele
9770Friſch aus der Nähe,
9771Ich bin der Jäger
9772Ihr ſeid das Wild.
∞Chor.
9773Willſt du uns fangen
9774Sey nicht behende,
9775Denn wir verlangen
9776Doch nur am Ende
9777Dich zu umarmen
9778Du ſchönes Bild.
∞Euphorion.
9779Nur durch die Haine!
9780Zu Stock und Steine!
9782Das widert mir,
9783D〈: N〉ur das Erzwungene
9784Ergötzt mich ſchier.
9785Welch ein Muthwill 〈! erg〉 welch ein
Raſen!
9786Keine Mäſſigung iſt zu hoffen.
9787Klingt es doch wie Hörner Blaſen〈: Hörnerblaſen〉
9788Ueber Thal und Wälder dröhnend,
9789Welchen〈: Welch ein〉 Unfug, welch Geſchrey!
∞Chor
∞(Einzeln ſchnell eintretend)
9790Uns iſt er vorbey gelaufen
9791Mit Verachtung uns verhöhnend,
9792Schleppt er von dem ganzen Haufen
9793Nun die Wildeſte herbey.
∞Euphorion
∞(ein junges Mädchen hereintragend)
9794Schlepp ich mir〈: her〉 die derbe Kleine
9795Zu erzwungenem Genuſſe
9796Mir zur Wonne mir zur Luſt.
9797Drück ich widerſpenſtige Bruſt,
9798Küß ich widerwärtigen Mund,
9799Thue Kraft und Willen kund.
∞Mädchen.
9801Iſt auch Geiſtes Muth und Kraft,
9802Deinem gleich iſt unſer Wille
9803Nicht ſo leicht hinweggerafft.
9804Glaubſt du wohl mich im Gedränge 〈? erg〉
9805Deinem Arm vertrauſt du viel.
9806Halte feſt und ich verſenge
9807Dich den Thoren mir zum Spiel.
∞(ſie flammt auf und lodert in die Höhe)
9808Folge mir in leichte Lüfte
9809Folge mir in ſtarre K〈: G〉rüfte
9810Haſche das verſchwundne Ziel.
∞Euphorion
∞
in der Mitte, Chor im Kreiſe)〈: (die letzten Flam̄en abſchüttelnd)〉
9811Felſengedränge hier
9812Zwiſchen dem Waldgebüſch
9813Was ſoll die Enge mir
9814Bin ich doch jung und friſch.
9815Winde ſie ſauſen ja,
9816Wellen ſie brauſen da
9817Hör ich doch beydes fern
9818Nah wär ich gern.
∞(er ſpringt immer höher Felsauf)
∞Euphorion.
∞Chor
9827Magſt du nicht in Berg und Wald
9828Friedlich verweilen,
9829Such〈en erg〉 wir alſobald
9830Reben in Zeilen,
9831Reben am Hügelrand,
9832Feigen und Apfelgold.
9833Ach! in dem holden Land
9834Bleibe du hold.
∞Euphorion.
9835Träumt ihr den Friedenstag?
9836Träume wer Träume mag.
9837Krieg! iſt das Loosungswort,
9838Sieg! und ſo klingt es fort.
∞Chor
9839Wer im Frieden
9840Wünſchet ſich Krieg zurück
9841Der iſt geschieden
9842Vom Hoffnungsglück.
∞Euphorion.
9843Welche dies Land gebahr
9844Aus Gefahr in Gefahr,
9845Frey, unbegre〈: ä〉nzten Muths
9846Verſchwendriſch eignen Bluts.
9847Den nicht zu dämpfenden
9848Heiligen Sinn
9849Alle den Kämpfenden
9850Bring es Gewinn!
∞Chor
9851Seht hiauf wie hoch geſtiegen!
9852Und erſcheint uns doch nicht klein.
9853Steht〈: Wie〉 im Harniſch, wie zum Siegen,
∞Euphorion.
9855Keine Wälle keine Mauern
9856Jeder nur ſich ſelbſt bewußt;
9857Feſte Burg um auszudauern
9858Iſt des Mannes ehrne Bruſt.
9859Wollt ihr unerobert wohnen
9860Leicht bewaffnet raſch in’s Feld;
9861Frauen werden Amazo×〈: n〉en
9862Und ein jedes Kind ein Held.
∞Chor
9863Heilige Poeſie,
9864Himmelan ſteige ſie
9865Glänze, der ſchönſte Stern,
9866Fern und ſo weiter fern,
9867Und ſie erreicht uns doch,
9868Immer man hört ſie noch
9869Vernimmt ſie gern.
∞Euphorion
9870Nein, nicht ein Kind bin ich erſchienen
9871Bewaffnet〈: In Waffen〉 kommt der Jüngling an;
9873Hat er im Geiſte ſchon gethan.
9874Nun fort!
9875Nun dort
9876Eröffnet ſich zum Ruhm die Bahn.
9877Kaum in’s Leben eingerufen,
9878Heitrem Tag gegeben kaum,
9880Dich zu ſchmerzenvollem Raum.
9881Sind denn wir
9882Gar nichts dir,
9883Iſt der holde Bund ein Traum?
∞Euphorion
9884Und hört ihr donnern auf dem Meere!
9885Dort wiederdonnern Thal um Thal
9886In Staub und Wellen Heer dem Heere.
9887In Drang um Drang zu Schmerz und Quaal.
9888Und der Tod
9889Iſt Gebot,
9890Das verſteht ſich nun einmal.
∞Euphorion
9897Doch! – und ein Flügelpaar
9898×〈: F〉altet ſich los.
9899Dorthin! Ich muß! ich muß!
9900Gönnt mir den Flug!
∞(er wirft ſich in die Lüfte, die Gewande tragen ihn einen
Augenblick〈, ſein Haupt ſtrahlt, ein Lichtſchweif zieht
nach erg〉)
∞ (Ein ſchöner Jüngling ſtürzt zu der Eltern Füßen, man
glaubt in dem Todten eine bekannte Geſtalt zu erblicken; doch das
Körperliche verſchwindet ſogleich, die Aureole ſteigt wie ein Komet zum
Himmel auf, Kleid, Mantel und Lyra bleiben liegen)
25
〈
23
∞(Pauſe)
∞Chor
∞(Trauergeſang)
9907Nicht allein! – wo du auch weileſt,
9908Denn wir glauben dich zu kennen,
9909Ach! wenn du dem Tag enteileſt
9910Wird kein Herz von dir ſich trennen.
9911Wüßten wir doch kaum zu klagen,
9912Neidend ſingen wir dein Loos:
9913Hielt〈: Wie : Dir〉 in klar und trüben Tagen
9914Lied und Muth ihn〈: dir : war〉 ſchön und groß.
9915Ach! zum Erdenglück geboren,
9916Hoher Ahnen, großer Kraft,
9917Leider! früh dir ſelbſt verloren〈, erg〉
9918Jugendblüthe weggerafft.
9923
〈Und du rannteſt unauſha >〉
9919Scharfer Blick, die Welt zu ſchauen,
9920Mitſinn jedem Herzensdrang,
9921Liebesglut der beſten Frauen,
9922Und dein〈: ſein〉
eingenſter Geſang.
9923Doch du rannteſt, unaufhaltſam,
9924Frey ins willenloſe Netz,
9925Und〈: So〉 entzweyteſt du gewaltſam
9926Dich mit Sitte mit Geſetz;
9927Doch zuletzt das Höchſte Sinnen
9929Wollteſt Herrliches gewinnen,
9930Aber es gelang dir nicht.
∞(Pauſe)
25
∞Helena.〈tilgt〉
∞
〈zu Fauſt. erg〉
9941Zerriſſen iſt’s des Lebens wie der Liebe Band,
9942Betraurend beide, ſag ich ſchmerzlich Lebewohl!
9943Und werfe mich noch einmal in die Arme dir.
9944Perſephoneia nimm den Knaben auf und mich.
∞(Sie umarmt Fauſt, das Körperliche verſchwindet, Kleid und
Schleyer bleiben ihm in den Armen)
∞Phorkyas.
∞(zu Fauſt)
9945Halte feſt was dir von allem übrig blieb.
9946Das Kleid laß es nicht los. Da zupfen ſchon
9947Dämonen an den Zipfeln, möchten gern
9948Zur Unterwelt es reißen. Halte feſt.
9949Die Göttinn iſt’s nicht mehr die du verlorſt,
9950Doch göttlich iſt’s. Bediene dich der hohen
9951Unſchätzbaren Gunſt und hebe dich empor,
9952Es trägt dich über alles Gemeine raſch
9953Am Aether hin, ſo lange du dauern kannſt.
9954Wir ſehn uns wieder, weit gar weit von hier.
∞(Helenens Gewand〈t erg〉〈tilgt〉e
löſen sich in Wolken auf, umgeben Fauſt, heben ihn in die Höhe und ziehen
mit ihm vorüber)
26
∞Phorkyas.
∞(n〈: N〉immt Euphorions Kleider〈: Kleid〈, erg〉〉
〈Mantel und Harfe〈: Lyra〉 erg〉 von der Erde, hebt ſie,〈: tritt〉 ins Proſcenium tretend〈tilgt〉, 〈hebt die
Exuvien erg〉 in die Höhe und ſpricht)
27
〈
9955Noch immer glücklich aufgefunden!
9956Die Flamme freylich iſt verſchwunden
9957Doch iſt mir um die Welt nicht leid.
erg〉
9958Verſuch ich nun〈: Hier bleibt genug〉 Poeten einzuweihen,
26
9960Und〈: Denn〉 kann ich die Talente nicht verleihen
9961Verborg ich wenigſtens das Kleid.
∞(ſie ſetzt ſich im Proſcenium an eine Säule
nieder)
∞Chorführerin.
9962Nun eilig Mädchen! Sind wir doch den Zauber los,
9963Der alt Theſſaliſchen Vettel wüſten Geiſteszwang;
9664So des Geklimpers vielverworrner Töne Rauſch,
9665Das Ohr verwirrend, ſchlim̄er noch den in̄ern Sinn.
9666Hinab zum Hades! Eilte doch die Königin,
9667Mit ernſtem Gang hinunter. Ihrer Sohle ſey
9668Unmittelbar getreuer Mägde Schritt gefügt.
9669Wir finden ſie am Throne der Unerforſchlichen.
∞Chor.
9970Königinnen freylich überall ſind ſie gern×〈tilgt〉;
9971Auch im Hades ſelbſt ſtehen ſie oben an
9972Stolz zu ihres Gleichen geſellt,
9973Mit Perſephonen innigſt vertraut;
9974Aber wir im Hintergrunde
9975Tiefer Asphodelos–Wieſen,
9976Langgeſtreckten Pappeln,
9977Unfruchtbaren Weit〈: d〉en zugeſellt,
9978Welchen Zeitvertreib haben wir?
9979Fledermausgleich zu pieb〈: p〉ſen,
9980Geflüſter, unerfreulich geſpenſtig.
∞Chorführ.
9981Wer keinen Namen ſich erwarb, noch edles will,
9982Gehört den Elementen an, ſo fahret hin!
9983Mit meiner Königin zu ſeyn verlangt mich heiß〈; erg〉
9984Nicht nur Verdienſt auch Treue wahrt uns die Perſon.
∞(ab)
31
∞Alle.
9985Zurückgegeben ſind wir dem Tageslicht,
9986Zwar Perſonen nicht mehr,
9987Das fühlen, das wiſſen wir,
9988Aber zum Hades kehren wir nimmer.
9989Ewig lebendige Natur
9990Macht auf uns Geiſter,
9991Wie〈: r〉 auf ſie vollgültigen Anſpruch.
∞Ein Theil des Chors.
9992Wir in dieſer tauſend Aeſte Flüſterzittern,
Säuſelſchweben,
9993Reizen tändlend, locken leiſe, von dem Stamm〈: wurzelauf〉 des Lebens Quellen
9994Nach den Zweigen; bald mit Blättern, bald mit Blüten
überſchwenglich
9995Zieren wir die Flatterhaare frey zu luftigem Gedeihn.
9996Fällt die Frucht, ſogleich verſammeln, lebensluſtig Volk und
Heerden,
9997Sich zum Greifen, ſich zum Naſchen, eilig kommend, emſig
drängend;
9998Und, wie von den erſten Göttern, bückt ſich alles um uns
her.
∞Ein anderer Theil.
9999Wir, an dieſer Felſenwände weithinleuchtend glattem Spiegel
10000Schmiegen wir, in ſanftem Wallen uns bewegend,ſchmeichelnd
an.
10001Horchen, lauſchen jedem Laute, Vogelſängen, Röhrigflöten,
10002Sey es Pans furchtbaren Stimme, Antwort iſt ſogleich
bereit;
10004In erſchütterndem Verdoppeln, dreyfach, zehnfach hinten
nach.
∞Ein dritter Theil.
10005Schweſtern! Wir bewegtern Sinnes, eilen mit den Bächen
weiter;
10006Denn es reizen jener Ferne reichgeſchmückte Hügelzüge
10007Immer abwärts, immer tiefer, wäſſern wir,mäandriſch
wallend,
10008Jetzt die Wieſe, dann die Matten, gleich den Garten um das
Haus.
10009Dort bezeichnen’s der Cypreſſen, ſchlanke Wipfel,über
Landſchaft,
10010Uferzug und Wellenſpie{{l}}〈: g〉el, nach dem Aether ſteigende.
∞Ein vierter Theil.
10011Wallt ihr andern wo’s beliebet, wir umzingeln, wir umrauſe〈: c〉hen
10012Den durchaus bepflanzten Hügel, wo am Stab die Rebe {{bl}}〈: gr〉ünt;
10013Dort zu aller Tage Stunden läßt die Leim〈: de〉nſchaft des Winzers
10014Uns des liebevollſten Fleißes zweifelhaft Gelingen ſehn.
10015Bald mit Hacke bald mit Spaten, bald mit Häufeln, Schneiden,
Binden,
10016Betet er zu allen Göttern, förderſamſt zum Sonnengott.
10017Bachus kümmert ſich, der Weichling, wenig um den treuen
Diener,
10018Ruht in Lauben, lehnt in Höhlen, faß〈: ſ〉elnd mit dem jüngſten Faun.
10019Was zu ſeiner Träumereyen halben〈: m〉 Rauſch er je bedürfte,
10020Immer bleibt es ihm in Schläuchen, ihm in Krügen und
Gefäßen,
10021Rechts und links der kühlen Grüfte, ewige Zeiten
aufbewahrt.
10022Haben aber alle Götter, hat nun Helios vor allen,
10023Lüftend, feuchtend, wärmend, gluthend Beeren-Füllhorn
aufgehäuft,
34
10024Wo der ſtille Winzer wirckte, dort auf einmal wirds
lebendig,
10025Und es rauſcht in jedem Laube, raſchelt um von Stock zu
Stock.
10026Körbe knarren, Eimer klap××〈: pe〉rn, Tragebutten ächzen hin,
10027Alles nach der großen Kufe zu den Keltrer kräftigem Tanz,
10028Und ſo wird die heilige Fülle reingeborner ſaftiger Beeren
10029Frech zertreten, ſchäumend, ſprühend, miſcht ſichs widerlich
zerque×〈: t〉ſcht.
10030Und nun gellt ins Ohr der Cymbeln, mit der Becken
Erzgetöne,
10031Denn es hat ſich Dy〈: i〉onyſos aus Myſterien enthüllt;
10032Kommt hervor mit Ziegenfüßleren, ſchwenkend
Ziegenfüßlerinnen,
10033Und dazwiſchen ſchreit unbändig grell Silenus öhrig Thier.
10034Nichts geſchont! Geſpaltne Klauen treten alle Sitte nieder,
10035Alle Sinne wirbeln taumlich, gräßlich übertäubt das Ohr.
10036Nach der Schaale tappen Trunkne, überfüllt ſind Kopf und
Wänſte,
10037Sorglich ist noch ein und andrer, doch vermehrt er die
Tumulte,
10038Denn um neuen Moſt zu bergen, leert man raſch den alten
Schlauch.
∞(Der Vorhang fällt)
35
∞Phorkyas. (Der
Vorhang fällt. Phorkyas〈tilgt〉 im Proſcenium richtet ſich rieſenhaft
auf, tritt aber von den Cothurnen herunter, lehnt Maske und Schleyer
zurück und zeigt ſich als Mephiſtopſ〈: h〉eles, um, inſofern es nöthig wär〈e, erg〉
im Epilog das Stück zu commentiren)